Die neue Regionalität – ESG-Kriterien als Rückenwind für regionale Unternehmen

Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind die Meta-Themen, die aktuell jeden Unternehmer, jede Organisation und jeden Entscheider beschäftigen. Es ist nicht nur der öffentliche und gesellschaftliche Druck, der auf der Verwaltung, den Konzernen und den Betrieben lastet, mit der zunehmenden Bedeutung von ESG-Kriterien werden die neuen Rahmenbedingungen im Zeitalter der Klimakrise klar definiert. ESG ist das neue Ziel. Umweltrelevante und soziale Auswirkungen einer Organisation werden künftig noch viel stärker in den Fokus rücken. Ihre Bedeutung liegt auf einer Ebene mit Gewinn und Profit. Verantwortungsbewusstes Handeln wird vom Nice-to-Have zum Must-Have. Das gilt für Unternehmen in ihrer Rolle als Arbeitgeber wie in der Rolle als Partner, als Lieferant und sogar als Kunde. Die Ethik erlebt eine Renaissance und steht für diese neuen Werte. 

Eine Antwort darauf ist nicht leicht zu finden. Sie muss vielfach erst definiert werden. Genauso wie der Weg dahin. Es gibt kein Patentrezept. Es müssen noch viele Diskussionen dazu erfolgen. Die vielleicht wichtigste und drängendste ist die Definition von Nachhaltigkeit. Was ist tatsächlich nachhaltig? Der Begriff wird aktuell inflationär genutzt. Alles ist nachhaltig und muss nachhaltig sein: von den Sneakers bis zu den Erdbeeren. Eine Idee von dieser Diskussion flammt immer wieder bei den E-Autos und der E-Mobilität auf. In welchem Verhältnis steht die CO2-neutrale Nutzung eines Teslas mit dem Gewinn und der Entsorgung ihrer Batterie? Atomkraftwerke wurden in den 80er-Jahren und insbesondere nach Tschernobyl als Inbegriff der schmutzigen Energiegewinnung gesehen, heute wird mitunter Atomstrom als grün bezeichnet – ja, aber zu welchem Preis? Auch hier darf die Frage der Entsorgung des Atommülls nicht einfach ignoriert werden. An diesen zwei Beispielen lässt sich erkennen, wie komplex und unausgereift der Nachhaltigkeitsbegriff heute ist.

Regionalität als eine Antwort

Lange Transportwege haben nicht nur einen hohen CO2-Impact, sondern durch die Corona-Krise und die Blockade im Suez-Kanal wurde die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit der Lieferketten stark beeinträchtigt. Auf all das scheint es eine Antwort zu geben: Regionalität. Wer regional kauft, minimiert die Transportwege, unterstützt eine heimische Produktion, die kontrolliert bzw. nachhaltig erfolgen kann. Die heimischen Unternehmen können ein Baustein für die erfolgreiche Bekämpfung der Klimakrise sein. ESG kann damit zum Treiber für eine neue Regionalität werden.

Lenkungsinstrument Vergabeverfahren

Öffentlichen Auftraggebern kommt hier eine verantwortungsvolle Rolle zu. Sie können, sollen oder müssen ESG-Kriterien nutzen. Vergabeverfahren können als starke Lenkungsinstrumente eingesetzt werden. Die Verwaltung kann mit Hilfe des Vergaberechts und mit dem Instrument der Ausschreibungen einen multidimensionalen Impact leisten. Die jeweiligen Projekte werden ESG-konform umgesetzt, die Auftragnehmer haben einen Anlass und mit dem Auftrag ein Businessmodell umwelt- und ressourcenschonend zu produzieren und zu liefern. Das macht die Unternehmen generell wettbewerbsfähiger. Zudem haben öffentliche Ausschreibungen immer einen Abstrahleffekt und eine Vorbildfunktion – auf Großkonzerne, auf Entwicklungen, auf die Wirtschaft und die Industrie. Für die heimischen, regionalen Unternehmen gilt es ESG klug zu nutzen. 

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Echte Nachhaltigkeit – warum gerade das Vergaberecht aus der Zeitgeist-Phrase einen wahren Wert schafft

„Es muss nachhaltig sein“ – kaum eine Phrase wird so häufig genutzt, kaum ein Begriff wird so häufig strapaziert wie „Nachhaltigkeit“. Alles muss, soll, kann „nachhaltig“ sein. Das Projekt, das Haus, die neue Jeans, die veganen Sneaker und das Essen sowieso. Nachhaltigkeit verkommt mehr und mehr zum Zeitgeist. Es droht zur leeren Phrase und zu einer echten Mogelpackung zu werden. Dazu kreieren wir noch das eine oder andere Zertifikat, weil wenn es zertifiziert ist, dann darf man es mit gutem Gewissen kaufen. Doch „nachhaltig“ ist nicht so einfach wie „bio“ – das klare Kriterien hat. Nachhaltigkeit ist wesentlich komplexer und umfasst mehr Dimensionen als ein gewisses Umweltbewusstsein. Und ich möchte hier ganz bewusst nicht eine Nachhaltigkeitsdiskussion am Beispiel E-Auto starten … 

Nachhaltigkeit wird also lauthals an allen Ecken gefordert und betrifft nahezu jede Branche. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit hat sich aber auch während der Pandemie stark gewandelt. Auch wenn vielfach mit nachhaltig der CO2-Fußabdruck gemeint ist, ist in Post-Pandemie-Zeiten die Finanzierbarkeit Teil der Nachhaltigkeit. Denn wenn man sich aufgrund von fehlender Liquidität etwas nicht leisten kann, wird das Investment, die Innovation oder das Projekt kaum nachhaltig – im wahrsten Sinne des Wortes – sein. 

Das Vergaberecht kann in der fordernden Situation zum Wegbereiter der Nachhaltigkeit werden. In einem Vergabeverfahren werden die (Vergabe-)Kriterien definiert. Diese Definition kann eben echte Nachhaltigkeit schaffen oder gewährleisten. Was es dazu braucht? Viel Branchenexpertise und Weitblick, denn die Kriterien müssen bei jedem Projekt neu definiert und kritisch hinterfragt werden. Ein nachhaltiges Rechenzentrum muss andere Eigenschaften haben und Anforderungen erfüllen als eine Photovoltaik-Anlage oder eine Werbekampagne. Wenn man heute ein Gebäude errichtet, muss man sich die Frage stellen: Wie muss es gestaltet sein, damit es in 30 Jahren noch Wert hat und verkauft werden kann? Um echte, wahre und wirkliche Nachhaltigkeit zu ermöglichen und zu schaffen, braucht es vor allem eines: Mut. Denn nur mit radikalen Ideen und harten Kriterien werden wir aus der Zeitgeist-Phrase einen wahren Wert schaffen – langfristig … oder eben nachhaltig …

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