Dokumentation von Entscheidungen im Vorfeld von Verfahren

Der Auftraggeber hat im Vergabeverfahren besondere Dokumentationspflichten zu beachten. Das BVergG 2018 beinhaltet hierzu einige Verschärfungen, die der Auftraggeber schon im Vorfeld eines Verfahrens unbedingt beachten sollte. Tut er dies nicht, besteht die Gefahr der Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung, wie die jüngere Judikatur einiger Verwaltungsgerichte aufzeigt.

Nach dem BVergG 2006 waren die Gründe für die Wahl bestimmter Vergabeverfahren festzuhalten und ein abschließender Vergabevermerk zu erstellen. Das BVergG 2018 geht nun wesentlich weiter, wenn es in § 49 vorgibt, dass der Auftraggeber „alle wesentlichen Entscheidungen und Vorgänge im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren so ausreichend zu dokumentieren [hat], dass sie nachvollzogen werden können“.

Das bedeutet, dass auch eine Dokumentation über die Konzeption der Ausschreibung gefordert ist.

Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage führen aus, dass „alle wesentlichen Entscheidungen und Vorgänge ausreichend dokumentiert werden [sollen], was zur Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und schlussendlich zu deren Transparenz beitragen soll. Auch in Hinblick auf etwaige spätere Nachprüfungs- bzw. Feststellungsverfahren ist eine gründliche Dokumentation notwendig und empfehlenswert.

Aus der Bestimmung der EU-Richtlinie 2014/24/EU, die hier umgesetzt wird, wird deutlich, dass mit „alle wesentlichen Entscheidungen“ auch jene gemeint sind, die im Zuge der Vorbereitung der Ausschreibung getroffen wurden. Der Artikel 84 Abs 2 lautet:

Öffentliche Auftraggeber dokumentieren den Fortgang aller Vergabeverfahren, unabhängig davon, ob sie auf elektronischem Wege durchgeführt werden oder nicht. Zu diesem Zweck stellen sie sicher, dass sie über ausreichend Dokumentation verfügen, um Entscheidungen in allen Stufen des Vergabeverfahrens zu begründen, z. B. Dokumentation der gesamten Kommunikation mit Wirtschaftsteilnehmern und sämtlicher interner Beratungen, der Vorbereitung der Auftragsunterlagen, des Dialogs oder etwaiger Verhandlungen, der Auswahl und der Zuschlagserteilung.

Die Richtlinie spricht hier deutlich von einer Dokumentation interner Beratungen und der Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen.

§ 49 Abs 1 BVergG ist daher so zu verstehen, dass auch Festlegungen bei der Erstellung und Konzeption der Ausschreibungsunterlagen festgehalten und nachvollziehbar dokumentiert werden müssen. Über den Umfang und die Art der Dokumentation wird nichts gesagt.

Bedeutung für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass bereits in der Vorbereitungsphase eines Vergabeverfahrens sämtliche grundlegende Festlegungen (wie zB Wahl der Verfahrensart, Ausgestaltung der Kriterien etc) dokumentiert werden sollten. Ferner ist laut Gesetz explizit jede Mitwirkung von Dritten an der Vorbereitung einer Ausschreibung zu dokumentieren.

Das kann schwierig sein, da oft ein mehrstufiger Abstimmungsprozess mit mehreren Beteiligten und vielschichtige, teils mehrmals revidierte Entscheidungen zu einer endgültigen Festlegung führen. Hier sollte jedoch ein Modus gefunden werden, die Entscheidungen nachvollziehbar festzuhalten.

Bei der Dokumentation ist somit ein gewisses Fingerspitzengefühl gefragt: Hält man alle im Vorfeld gesetzten Handlungen detailliert fest, kann dies in unzähligen Seiten langen Aktenvermerken enden, deren Konzeption die Beschaffungsabteilungen – insbesondere kleinerer öffentlicher Auftraggeber – lahmlegen kann. Dokumentiert man zu wenig, kann dies als Verstoß gegen § 49 BVergG ausgelegt werden und bedroht die Ausschreibung mit Nichtigkeit.

Wir haben die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte eingehend analysiert und für öffentliche Auftraggeber entsprechende Dokumentationswerkzeuge entwickelt. Wir denken Vergaberecht neu!

Autoren

  • Schiefer, Martin
    Schiefer, Martin Rechtsanwalt - Partner
    Wien