Whistleblowing – Transparenzkultur und Qualitätssicherung statt Vernaderungstool

Eine Querulantenhotline, ein Vernaderungstool, ein Rachewerkzeug – Whistleblowing löst bei dem einen oder anderen negative Gefühle aus und treibt den Angstschweiß auf die Stirn. Das ist allerdings eine echte Missinterpretation und ein vollkommen falsches Image. Whistblowing ist in erster Linie eine Qualitätssicherungsmaßnahme. Es kann ein exzellentes Kommunikationstool für eine Feedback- und Transparenzkultur sein. Whistleblowing hat das Potenzial eine objektive Sicht auf den eine Organisation zu bekommen und ein Teil einer aktiven, konstruktiven Feedbackkultur zu werden. 

Es ist keine triviale Frage, was nun alles unter Whistleblowing fällt: Absprachen, Arbeitnehmerschutz, Umweltverschmutzung, privates Fehlverhalten oder Verleumdung? Klar ist, dass Kartellabsprachen, Umweltschutz- oder Arbeitnehmerschutz-Verletzungen und Verstöße gegen den Datenschutz dazu gehören, bei Gewerberechtsverletzungen, Steuerhinterziehung oder etwa Strafrechtsverstößen, ist es nicht ganz so klar. Aber Whistleblowing darf keinesfalls für persönliche Racheaktion missbraucht werden. Deshalb braucht es hier ganz dringend Klarheit. Es besteht Handlungsbedarf – formal und emotional.

Zum einen ist Österreich säumig mit nationalem Recht bei der EU-Whistleblowing-Richtlinie endlich zu reagieren und zum anderen braucht es Aufklärung, was Whistleblowing wirklich ist.

Die Whistleblower-Richtlinie der EU soll dafür sorgen, dass Missstände und Vergehen im privaten und öffentlichen Sektor ohne Angst vor Repressalien gemeldet werden können. Das macht Sinn, denn Korruptions- und andere Missstände können in der Praxis am besten von Insidern aufgedeckt werden. Seit Dezember 2021 ist die nationale Umsetzungsfrist für die Whistleblower-Richtlinie der EU abgelaufen. In Österreich gibt es – mit einiger Verspätung – nun auch einen Entwurf für die nationale Gesetzgebung. 

Mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) werden nicht nur die Mindestvorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie umgesetzt, im österreichischen Fall ist eine Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs nicht nur auf Verstöße gegen Unionsrecht, sondern auch auf Tatbestände des nationalen Korruptionsstrafrechts geplant.

Betroffen davon ist in erster Linie der öffentliche Sektor: Gemeinden und öffentliche Unternehmen sind dazu verpflichtet ein eigenes Hinweisgebermeldesystem einzurichten.  

Hier sollte man sich nicht vom anfänglichen Aufwand, Hinweisgebersysteme einzurichten, abschrecken lassen, sondern auf den langfristigen Nutzen schauen. Werden die Hinweisgebersysteme richtig umgesetzt, kann das auch den Unternehmen und Gemeinden zugutekommen. Interne Meldungen ermöglichen einen deutlichen Informationsvorsprung. So müssen Unternehmen nicht erst reagieren, wenn sie durch behördliche Ermittlungen über Rechtsverstöße in ihrer Organisation informiert werden. Sie können schon deutlich früher agieren, entsprechende Maßnahmen setzen und Anreize zur Erhöhung der unternehmens- bzw. behördeninternen Compliance bieten.

Deshalb ist Whistleblowing keine Geißel und kein Grund, Angst zu haben, sondern eine Chance auf mehr Transparenz und offener Kommunikation.

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„Damenwahl“ in der Beschaffung – warum öffentliche Auftraggeber ihr Selbstverständnis überdenken müssen und die Bundesvergabegesetz-Novelle eine Chance wäre.

Die öffentlichen Auftraggeber sind verwöhnt. Sie treten mit dem Selbstbewusstsein und dem Selbstverständnis auf, dass jeder für sie arbeiten möchte. Sie können fordern und der Lieferant liefert – es ist seine Verantwortung. Das ging in der „alten Weltordnung“ sehr gut, als Lieferketten gehalten haben und die Unternehmen stets auf der Suche nach fixen und stabilen Aufträgen waren. Es war alles sehr berechenbar.

Aber die Situation hat sich in den letzten Jahren massiv verändert – und zwar in mehreren Dimensionen. Die „alte Weltordnung“ wird auf den Kopf gestellt. 

Die Auftragsbücher sind voll, die Fach- und Arbeitskräfte rar. Das heißt, Unternehmen können sich ihre Aufträge aussuchen. Sie können entscheiden, wo sie ihre wertvolle Manpower investieren. Es gibt nicht mehr nur den Auftragnehmer-Wettbewerb, es gibt auch den Auftraggeber-Wettbewerb. Und in diesem Wettbewerb stehen die öffentlichen Auftraggeber nicht sehr weit vorn. Sie sind in der Vergangenheit stehen geblieben. Alle haben von der Globalisierung enorm profitiert. Alles war immer und überall umgehend verfügbar. Eine Lieferkette hat gehalten. Wenn heute eine Lieferkette nicht hält, dann ist – bei öffentlichen Aufträgen – der Auftragnehmer dafür verantwortlich. Er trägt das volle Risiko. Doch eben dieses Risiko ist größer und unberechenbarer geworden. Die öffentliche Hand wälzt diese Tatsache und damit die Verantwortung an seinen Lieferanten ab. Es droht die schwebende Unwirksamkeit. Diesem Risiko will und vor allem muss sich der Auftragnehmer nicht mehr aussetzen. Er fordert mehr Agilität, mehr Flexibilität, mehr Partnerschaft. Ohne dem wird nicht nur die Suche nach dem perfekten Lieferanten scheitern, sondern die vorrangigen Ziele des Vergaberechts – Transparenz und fairer Wettbewerb – werden ad absurdum geführt.

Es ist die Umkehrung des Gewohnten – bei jedem Ball heißt dieses Durchbrechen der Etikette „Damenwahl“. Und dort stehen wir jetzt in der Beschaffung. Nicht der Herr fordert die Dame zum Tanzen auf, sondern die Dame den Herren. Das ist eine neue Herausforderung für die öffentliche Hand. Sie muss rasch einen Kurswechsel vollziehen. Eine Chance auf den Kurswechsel und die Anpassung der alten Strukturen an die neuen Gegebenheiten ist die Bundesvergabegesetz-Novelle 2022. Innovation, Sicherheit, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Internationalität sollten die Treiber für die Novelle des Bundesvergabegesetzes sein;

die Novelle wird so zur halben Sache. Aktuell fehlen ein Plan, eine Strategie und eine Gesamtkoordination. Die Novelle fokussiert sich momentan auf Compliance und digitale Formate. Das ist ein guter Anfang, aber wir bleiben auf halber Strecke stehen.

Das Wort Innovation wird mit keinem Wort erwähnt. Mit Sicherheit sieht es nicht viel besser aus. Cyber Security ist eine der größten Herausforderungen, der wir aktuell gegenüberstehen. Die Rolle der Digitalisierung wird wenig beachtet und klar unterschätzt. Digitalisierung ist ein entscheidender Punkt, nachhaltig sowie umwelt- und klimaschonend vorzugehen. Digitalisierung schafft nachweislich Wachstum. Wir brauchen eine innovative Beschaffung: mit einer zeitgemäßen Definition von Eignungskriterien, ausreichend Ideenschutz, einem erleichterten Zugang für Start-ups und junge Unternehmen sowie mit der Option zu einer echten Partnerschaft von Auftragnehmern und Auftraggebern.

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Die neue Regionalität – ESG-Kriterien als Rückenwind für regionale Unternehmen

Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind die Meta-Themen, die aktuell jeden Unternehmer, jede Organisation und jeden Entscheider beschäftigen. Es ist nicht nur der öffentliche und gesellschaftliche Druck, der auf der Verwaltung, den Konzernen und den Betrieben lastet, mit der zunehmenden Bedeutung von ESG-Kriterien werden die neuen Rahmenbedingungen im Zeitalter der Klimakrise klar definiert. ESG ist das neue Ziel. Umweltrelevante und soziale Auswirkungen einer Organisation werden künftig noch viel stärker in den Fokus rücken. Ihre Bedeutung liegt auf einer Ebene mit Gewinn und Profit. Verantwortungsbewusstes Handeln wird vom Nice-to-Have zum Must-Have. Das gilt für Unternehmen in ihrer Rolle als Arbeitgeber wie in der Rolle als Partner, als Lieferant und sogar als Kunde. Die Ethik erlebt eine Renaissance und steht für diese neuen Werte. 

Eine Antwort darauf ist nicht leicht zu finden. Sie muss vielfach erst definiert werden. Genauso wie der Weg dahin. Es gibt kein Patentrezept. Es müssen noch viele Diskussionen dazu erfolgen. Die vielleicht wichtigste und drängendste ist die Definition von Nachhaltigkeit. Was ist tatsächlich nachhaltig? Der Begriff wird aktuell inflationär genutzt. Alles ist nachhaltig und muss nachhaltig sein: von den Sneakers bis zu den Erdbeeren. Eine Idee von dieser Diskussion flammt immer wieder bei den E-Autos und der E-Mobilität auf. In welchem Verhältnis steht die CO2-neutrale Nutzung eines Teslas mit dem Gewinn und der Entsorgung ihrer Batterie? Atomkraftwerke wurden in den 80er-Jahren und insbesondere nach Tschernobyl als Inbegriff der schmutzigen Energiegewinnung gesehen, heute wird mitunter Atomstrom als grün bezeichnet – ja, aber zu welchem Preis? Auch hier darf die Frage der Entsorgung des Atommülls nicht einfach ignoriert werden. An diesen zwei Beispielen lässt sich erkennen, wie komplex und unausgereift der Nachhaltigkeitsbegriff heute ist.

Regionalität als eine Antwort

Lange Transportwege haben nicht nur einen hohen CO2-Impact, sondern durch die Corona-Krise und die Blockade im Suez-Kanal wurde die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit der Lieferketten stark beeinträchtigt. Auf all das scheint es eine Antwort zu geben: Regionalität. Wer regional kauft, minimiert die Transportwege, unterstützt eine heimische Produktion, die kontrolliert bzw. nachhaltig erfolgen kann. Die heimischen Unternehmen können ein Baustein für die erfolgreiche Bekämpfung der Klimakrise sein. ESG kann damit zum Treiber für eine neue Regionalität werden.

Lenkungsinstrument Vergabeverfahren

Öffentlichen Auftraggebern kommt hier eine verantwortungsvolle Rolle zu. Sie können, sollen oder müssen ESG-Kriterien nutzen. Vergabeverfahren können als starke Lenkungsinstrumente eingesetzt werden. Die Verwaltung kann mit Hilfe des Vergaberechts und mit dem Instrument der Ausschreibungen einen multidimensionalen Impact leisten. Die jeweiligen Projekte werden ESG-konform umgesetzt, die Auftragnehmer haben einen Anlass und mit dem Auftrag ein Businessmodell umwelt- und ressourcenschonend zu produzieren und zu liefern. Das macht die Unternehmen generell wettbewerbsfähiger. Zudem haben öffentliche Ausschreibungen immer einen Abstrahleffekt und eine Vorbildfunktion – auf Großkonzerne, auf Entwicklungen, auf die Wirtschaft und die Industrie. Für die heimischen, regionalen Unternehmen gilt es ESG klug zu nutzen. 

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1G-Forderung für öffentliche Aufträge – über sensible Themen und gesellschaftliche Verantwortung

Es ist ja ein ach so hochsensibles Thema: 1G. Die Privilegien der Geimpften, die Spaltung der Gesellschaft, eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ … Wird an der einen oder anderen Ecke 1G in den Mund genommen, erfolgt in genau diesem Moment eine Prinzipiendiskussion. Darf man 1G in der Disco, beim Après Ski oder im eigenen Unternehmen von seinen Mitarbeitern verlangen? Diskriminiert man nicht die Getesteten und die Genesenen? 

Ja, kann schon sein. Aber das ist ehrlich gesagt sekundär, denn Nicht-Geimpfte – mit Ausnahme der wenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen sollten – denken nur an sich und handeln damit verantwortungslos – wenn ich das mal ganz unverblümt so formulieren darf. Impfen ist Verantwortung übernehmen – gegenüber der eigenen Gesundheit, dem Gesundheitssystem und der Gesellschaft. Eine Selbstverständlichkeit in einer Solidargesellschaft.

Weiter gedacht – und auf mein Berufsfeld heruntergebrochen – bedeutet das, wir dürfen, sollten und müssen 1G in öffentlichen Ausschreibungen fordern. Warum? Öffentliche Ausschreibungen sind Lenkungsinstrumente. Wir lenken, um Klimaziele zu erreichen, die regionale Wirtschaft zu unterstützen, Kreislaufwirtschaft zu forcieren. All diese Ziele „dürfen“ per Ausschreibung ganz offiziell und rechtens verfolgt werden. Ohne diese Ziele gegeneinander ausspielen oder sie bewerten zu wollen, sollte die Pandemiebekämpfung mindestens den gleichen Status wie der Klimaschutz erhalten.

Die öffentliche Hand greift lenkend ein, wenn ein Fuhrpark mit E-Autos ausgeschrieben wird und damit die CO2-Emmissionen gesenkt werden sollen. Ebenso muss die öffentliche Hand lenkend einwirken, um die Pandemie zu bekämpfen. Bei Ausschreibungen im Gesundheitsbereich, bei Bildungseinrichtungen oder im Personennahverkehr muss 1G selbstverständlich sein. Aber genauso selbstverständlich sollte 1G bei mindestens allen Projekten sein, bei denen Menschen persönlichen Kontakt haben – das bedeutet, 1G als Ausschreibungskriterium für Mitarbeiter, Kooperationspartner und Lieferanten. Nur dann darf ein Auftrag von Bund, Land oder der Gemeinde erfolgen. Das sollte ehrlich gesagt gar nicht zur Diskussion stehen.

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„Ich habe heute leider kein Foto für dich“ – über Sinn und Unsinn von Rankings

Es ist wieder Ranking-Saison. Egal welche Zeitschrift, welches Social-Media-Portal – die besten Ärzte, die besten Werbeagenturen und die besten Anwälte werden gerankt, bewertet, gereiht – in möglichst vielen Kategorien nach mehr oder weniger transparenten Kriterien. Einmal sind es Journalisten, dann die Öffentlichkeit, manchmal die Kollegen. Das ist ja zum einen ganz fein, denn als ehrgeiziger Anwalt sind die diversen Rankings ein Ansporn. Wir messen uns – so sagt man – ganz gerne mit den Marktbegleitern. Soweit und auch so gut. Rankings sollten einen Marktüberblick geben, den Markt in seiner Gesamtheit aufzeigen, Pioniere präsentieren und Marktführer vorstellen. Sie sollten für Außenstehende, die vielleicht einen passenden Orthopäden, Social-Media-Werber oder Fachanwalt suchen, eine Hilfe sein, sie sollten Bewerbern passende potenzielle Arbeitgeber zeigen. Aber tun das diese Rankings tatsächlich?

Sind sie nicht viel mehr ein Beauty Contest, bei dem jeder Nominierte seine Facebook-Freunde und LinkedIn-Kontakte motiviert und zum Voten auffordert. So wird die Ranking-Saison zur Jagdsaison – auf der Pirsch nach den meisten Stimmen. Diese Aussagekraft der Bewertungen ist dann vielleicht mehr ein Spiegel des unermüdlichen Kontakte Kontaktierens. Und ist Kampagnenfähigkeit wirklich ein Kriterium für den guten Arzt, den Anwalt, den Techniker? Eigentlich sollte ja Erreichtes zählen und nicht nur Erzähltes reichen …

Eine weitere Herausforderung sind dabei die Kategorien. Während die Welt nach Spezialisierungen, USPs, eigenen Märkten und selbst definierten Marken verlangt, wird der Versuch unternommen, jede Branche in Kategorien zu zwängen. Weder der Allrounder noch der Rebell, der seine eigene Nische entwickelt hat, findet in der Mainstream-Welt seinen Platz.

Die Conclusio: Ich gratuliere jedem in diesen Rankings, aber auch ebenso jenen, die nicht auf diesen Listen genannt werden. Es ist eine schöne Auszeichnung für den Erfolg und die harte Arbeit, die dahintersteckt. Aber es ist auch ziemlich lässig, nicht aufzuscheinen. Diese Rankings sind nichts anderes als Starmania oder Deutschland sucht den Superstar. Es sollen die einen oder anderen den Satz gehört haben: „Ich habe heute leider kein Foto für dich“ – und dennoch oder vielleicht deswegen sind sie in eine große Karriere gestartet. Denn es gilt noch immer, dass in Wirklichkeit nur das Erreichte zählt.

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Gemeinsam Neues schaffen – warum Vergaberecht der perfekte Innovationstreiber ist

Wenn die Zeiten fordernd und die Budgets knapp sind, muss das Geld gut investiert werden. Investieren heißt auch, immer den Blick Richtung Zukunft ausrichten und Innovationen ermöglichen, vorantreiben und initiieren. Um Österreich zu einem Land der Innovationen zu machen, ist Forschungsförderung allein zu wenig. Denn Forschung passiert oft weit weg vom Markt und den derzeitigen Bedürfnissen. Das bedeutet, dass zwar die Entwicklung einer Idee unterstützt wird, aber der Unternehmer wird dennoch alleine gelassen. Er muss die Innovation vorantreiben und gleichzeitig einen Markt dafür schaffen. Sonst hat er eine Innovation ohne Absatzmarkt. Vergaben und Ausschreibungen sind dazu eine perfekte Ergänzung, denn Vergaben zeigen einen aktuellen Bedarf.

Vergabeverfahren können Innovationen auf zwei Ebenen erfolgreich vorantreiben: Zum einen besteht die Option, die Kriterien forschungsaffin zu definieren. Das beginnt bei Forschungsquoten, erstreckt sich über Investitionen in F&E und geht bis hin zu Start-up-Engagements. Es gibt viele Möglichkeiten, die zukunftsgerichtete und forschungsfreundliche Ausrichtung eines Unternehmens abzufragen. Zum anderen gibt es im Vergaberecht seit Kurzem sogenannte Innovationspartnerschaften. Innovationspartnerschaften sind ein eigenes Vergabeverfahren, das sich doch wesentlich von klassischen Verfahren unterscheidet. Es ist ein Tool, das als perfekte Ergänzung zu klassischen Förderprogrammen den Ideenfindungsprozess unterstützt, eine Kostenteilung ermöglicht und mit dem Entwicklungsprozess gemeinsam einen Absatzmarkt bietet. Der Auftraggeber und der Auftragnehmer committen sich zu einer Idee, zu einem Projekt. Gemeinsam wird etwas Neues geschaffen. Dies deckt zum einen den Bedarf des Auftraggebers, und der Auftragnehmer kann etwas Neues entwickeln, das sofort umgesetzt wird. Der Markt für die Innovationsentwicklung ist vorhanden und das Unternehmen arbeitet gleichzeitig am ersten Referenzprojekt. Das ist Win-Win für beide, fordert allerdings Fairplay und Weitblick. Wenn man sich darauf einlässt, kann das Vergaberecht zum perfekten Innovationstreiber werden. 

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Echte Nachhaltigkeit – warum gerade das Vergaberecht aus der Zeitgeist-Phrase einen wahren Wert schafft

„Es muss nachhaltig sein“ – kaum eine Phrase wird so häufig genutzt, kaum ein Begriff wird so häufig strapaziert wie „Nachhaltigkeit“. Alles muss, soll, kann „nachhaltig“ sein. Das Projekt, das Haus, die neue Jeans, die veganen Sneaker und das Essen sowieso. Nachhaltigkeit verkommt mehr und mehr zum Zeitgeist. Es droht zur leeren Phrase und zu einer echten Mogelpackung zu werden. Dazu kreieren wir noch das eine oder andere Zertifikat, weil wenn es zertifiziert ist, dann darf man es mit gutem Gewissen kaufen. Doch „nachhaltig“ ist nicht so einfach wie „bio“ – das klare Kriterien hat. Nachhaltigkeit ist wesentlich komplexer und umfasst mehr Dimensionen als ein gewisses Umweltbewusstsein. Und ich möchte hier ganz bewusst nicht eine Nachhaltigkeitsdiskussion am Beispiel E-Auto starten … 

Nachhaltigkeit wird also lauthals an allen Ecken gefordert und betrifft nahezu jede Branche. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit hat sich aber auch während der Pandemie stark gewandelt. Auch wenn vielfach mit nachhaltig der CO2-Fußabdruck gemeint ist, ist in Post-Pandemie-Zeiten die Finanzierbarkeit Teil der Nachhaltigkeit. Denn wenn man sich aufgrund von fehlender Liquidität etwas nicht leisten kann, wird das Investment, die Innovation oder das Projekt kaum nachhaltig – im wahrsten Sinne des Wortes – sein. 

Das Vergaberecht kann in der fordernden Situation zum Wegbereiter der Nachhaltigkeit werden. In einem Vergabeverfahren werden die (Vergabe-)Kriterien definiert. Diese Definition kann eben echte Nachhaltigkeit schaffen oder gewährleisten. Was es dazu braucht? Viel Branchenexpertise und Weitblick, denn die Kriterien müssen bei jedem Projekt neu definiert und kritisch hinterfragt werden. Ein nachhaltiges Rechenzentrum muss andere Eigenschaften haben und Anforderungen erfüllen als eine Photovoltaik-Anlage oder eine Werbekampagne. Wenn man heute ein Gebäude errichtet, muss man sich die Frage stellen: Wie muss es gestaltet sein, damit es in 30 Jahren noch Wert hat und verkauft werden kann? Um echte, wahre und wirkliche Nachhaltigkeit zu ermöglichen und zu schaffen, braucht es vor allem eines: Mut. Denn nur mit radikalen Ideen und harten Kriterien werden wir aus der Zeitgeist-Phrase einen wahren Wert schaffen – langfristig … oder eben nachhaltig …

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Extrem wichtig und unglaublich spannend – warum das Vergaberecht der „Gamechanger“ der Corona-Krise ist oder wäre.

Vergabe bestimmt unsere Medien und unseren Alltag seit rund zehn Monaten. Es startete mit der Diskussion um die Schutzausrüstungen für die Ärzte – wo waren diese so schnell herzubekommen? Es folgte eine unendliche Zahl an Berichten zu den FFP2-Masken – woher kommen sie, was können sie, was kosten sie? Massentests wurden angekündigt – doch wo wurden die Kits bestellt, was wurde dafür gezahlt? Und nicht zuletzt ist die Impfstoff-Beschaffung der Europäischen Union heute jenes Thema, das uns alle beschäftigt. 

Zu Anfang gab es viele Ausreden für das nicht perfekte Funktionieren der Beschaffung. Das war auch irgendwie legitim, denn die Krise hat keiner vorausgesehen und hat uns alle überraschend getroffen. Zum einen gibt es für solche Situationen Lösungen, aber was nicht zu verstehen ist: Warum funktioniert es noch immer nicht? Nach zehn Monaten! Wir haben eine neue Normalität, Abnormalität, und für alle Einkäufer und Beschaffer gab es genug Zeit, sich darauf vorzubereiten, sich dafür einzurichten. Denn egal ob Krise, „Normalität“ oder „Abnormalität“, eine professionelle Vergabe, ein perfekter Einkauf funktioniert immer gleich – auch wenn sich die Zeiten und Gegebenheiten ändern, die Prinzipien bleiben. Ein guter Einkäufer muss innovativ sein, das Geschäft seines Anbieters kennen, vorausschauend planen, nahe an den Entscheidungsträgern sein und natürlich über Verhandlungsgeschick verfügen. Der Einkauf ist eine hoch spezialisierte Einheit, die ganz oben angesiedelt sein muss. Vergabe ist strategisch. Es werden strategische Entscheidungen getroffen, die den Unterschied machen. Der Unterschied ist, ob unsere Ärzte ausreichend geschützt sind, ob wir für Massentests genügend Kits haben, ob wir den vulnerablen Gruppen die richtigen FFP2-Masken zur Verfügung stellen, deren Zertifizierung man trauen kann. Und mit einem perfekten Vergabeprozess kann man dafür sorgen, dass die Bevölkerung so rasch wie möglich eine entsprechende Durchimpfungsrate erreicht. Zudem könnte man mit professioneller Beschaffung Werte wie Regionalität und Nachhaltigkeit aktiv voranbringen. Eine perfekte Vergabe hätte die Kraft und die Möglichkeit, Sicherheit und Freiheit während der Pandemie zu geben und sie schlussendlich früher zu besiegen. Nur schade, dass ich das alles im Konjunktiv schreiben muss, denn die Pandemie hat uns vor Augen geführt, was passiert, wenn Beschaffung nicht professionell aufgesetzt ist und nicht perfekt funktioniert 

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